Preisträger*innen Essen 2022 – Hochschulwettbewerb Musikpädagogik

Der 12. Hochschulwettbewerb Musikpädagogik 2022 fand in der Folkwang Universität der Künste statt. Die Preisträger*innen des diesjährigen Wettbewerbs sind:

Malin Kumkar

Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover

1. Preis

„Mit Musik Gehör verschaffen – ein Musizierprojekt für drei- bis sechsjährige CI-Träger:innen mit Angehörigen“

Das Masterprojekt im Rahmen der Künstlerisch-Pädagogischen Ausbildung begleitete über einen sechswöchigen Zeitraum Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren mit einem Cochlea-Implantat und deren Begleitpersonen. Die Musikwahrnehmung ist mit diesen Hörhilfen, die vorrangig auf die Spracherkennung ausgelegt sind, stark erschwert beziehungsweise verändert.
Die kulturelle Teilhabe an Musik stellte, wie die allgemeine Entwicklungsförderung und Entfaltung von musikalischen Fertigkeiten, das Leitziel des Musikprojektes dar. Im Vordergrund stand die ganzheitliche, pädagogische Förderung durch Musik, wobei bewusst Inhalte gewählt wurden, die auch die Sprachentwicklung positiv beeinflussen können. Konzipiert und angeleitet wurden die Musikstunden durch die Projektleiterin; unterstützt wurde sie dabei durch verschiedene Studierende der HMTMH. Ein abschließendes Konzert rundete das Projekt ab. Hierzu wurden auch „normalhörende” Freund:innen der Kinder eingeladen.

Neben vielfältigen Angeboten Musik zu rezipieren und produzieren, bildeten jede Woche Live-Musik auf verschiedenen Instrumenten einen festen Baustein. Dies nahmen die Teilnehmenden auch viel besser auf als Musik vom Band. Außerdem wurden Anregungen für Musik im Alltag in Form von Hausaufgaben mitgegeben. Es zeigte sich, dass vor allem die multisensorische Förderung, das heißt dass Musik mit anderen Sinneserfahrungen kombiniert wurde wegweisend war.

Neben der Reflexion der Stunden mit den begleitenden Studierenden fand eine wissenschaftliche Begleitung des Projektes mithilfe zweier Bausteine statt. Einen Baustein bildeten an die Eltern gerichtete halboffene, strukturierte Fragebögen vor und nach dem Projekt. Den anderen Baustein stellte eine Musikalische Testung dar.  Hier standen die Betreuer:innen Prof. Dr. Andrea Welte und Prof Dr. Eckart Altenmüller zur Seite.
Bei den musikalischen Testspielen zeigten sich teilweise überdurchschnittliche Hörfähigkeiten. Ergebnisse die sich mit den technischen Grundlagen der Cochlea-Implantate nicht unbedingt erklären lassen. Jedoch erlauben sie Rückschlüsse, wie komplex Musik im Gehirn bei entsprechendem Training verarbeitet wird.

Im Fokus stand möglichst vielfältig Spaß und Freude im Umgang mit Musik zu vermitteln. Um dies zu erreichen wurden sowohl Elemente der Musikvermittlung, EMP als auch der Instrumental- bzw. allgemeinen Musikpädagogik miteinander kombiniert.
Alle Projektbeteiligten handelten der Grundüberzeugung nach, dass Menschen mit Beeinträchtigungen, in diesem Fall mit Hörstörungen bzw. Hörverlust, ebenso eine musikalische Förderung erhalten sollen wie andere auch.
 

Bei allen Herausforderungen und dem vergleichsweise hohen Aufwand überzeugte jedoch die beobachtete Wirksamkeit. Sie zeigte, wie musikalische Frühförderung die Inklusion nachhaltig vorantreiben kann.

Ulrike Bauer, Nayeb Behbahani

Hochschule für Musik und Tanz Köln

2. Preis

„Bringen wir die Instrumental- und Gesangspädagogik ins 21. Jahrhundert! – Ein Wiki mit digitalen Ressourcen für den analogen Gesangsunterricht“

Unsere heutige Lebenswelt wird von mittlerweile unzähligen Apps und digitalen Gadgets begleitet und mit jeder weiteren neuen App wird unser Leben digitaler und smarter. Doch wie sieht es in der Instrumental- und Gesangspädagogik aus? Ist das digitale Zeitalter auch dort angekommen?

Diese Frage haben wir als Anlass genommen, um geeignete Webtools oder Apps im Sinne des Blended Learning (gemischtes Lernen) für den Gesangsunterricht als Antwort auf diese Frage zu sammeln. Wir wollten einen Überblick über vorhandene digitale Tools erhalten und diese für den Gesangsunterricht zugänglich machen, da wir selbst aus dem Fachbereich der Gesangspädagogik kommen und dort aus eigenen Erfahrungen feststellen konnten, dass der Unterricht kaum digitale Chancen nutzt.

Um unsere ursprüngliche Frage ausführlich beantworten zu können, haben wir uns für ein Wiki entschieden, worin wir unsere Forschungen, Recherchen und Experimente festhalten können. Ein Wiki bietet die Möglichkeit, dass Inhalte von sämtlichen Fachpersonen beliebig erweitert und der sich ständig entwickelnden digitalen Welt angepasst werden können. Gleichzeitig können Pädagog:innen neue methodische Ansätze und Inspirationen suchen, die zu ihren persönlichen Präferenzen und ihren Unterrichtssettings passen. Genauso ermöglicht das Wiki die Ideen in den wissenschaftlichen Diskurs einzubetten und kritisch zu reflektieren. Fachdidaktische Inhalte, die sich insbesondere auf das jeweilige Instrument bzw. die Stimme beziehen, sollen genauso Teil des Wikis sein

Unsere digitalen Ideen sollen nicht als Konkurrenz zum analogen Unterricht gesehen werden, sondern als unterstützendes mediales Angebot. Dabei haben wir bei der Erstellung des Wikis darauf geachtet, den Mehrwert der Nutzung von Apps und Tools zu beleuchten und kritisch zu hinterfragen. Auf diese Weise wird die Qualität dieser Apps stets durch gewählte Parameter eingeordnet und die sich durch die Nutzung der Apps verändernden Lernprozesse der Jugendlichen können im Kontext der wissenschaftlichen Einbettung nachvollzogen werden.

Insgesamt wurde deutlich, dass es nicht „die digitale Idee” gibt, die man universell einsetzen sollte. Jede Idee kann in einem passenden Kontext nützlich sein, weswegen immer individuell abgewogen werden muss. Genau bei diesem Abwägen kann das Wiki helfen, indem es Lehrer:innen ein machtvolles Werkzeug an die Hand gibt, um ihren Unterricht noch produktiver zu gestalten.

Julia Carrasco, Anna Hönke, Louisa Kaltenbach, Lydia Stettinius

Hochschule für Musik und Tanz Köln

3. Preis

„Wiederholst du noch oder übst du schon? Ein Videoprojekt zum Differenziellen Lernen am Streichinstrument“

„Was versteckt sich hinter dem Begriff des Differenziellen Lernens? Wie kann man Ansätze davon auf den Bereich der Musik und explizit auf Streichinstrumente übertragen? Welche Meinungen haben musikpädagogische Expert*innen dazu?

Aus den Sport- und Bewegungswissenschaften stammt die Annahme, dass eine Bewegung nicht eins zu eins wiederholbar ist und dadurch die Fokussierung auf die Differenz eines Lerngegenstands leistungssteigernd wirkt. Die Übertragung des Differenziellen Lernens in den Bereich der Musikpädagogik, vor allem in Martin Widmaiers Dissertation „Zur Systemdynamik des Übens. Differenziellen Lernen am Klavier.“, hat uns fasziniert und neugierig gemacht.

So entstand unser Videoprojekt zum Differenziellen Lernen im Rahmen des digitalen Seminars „Atelier Musikpädagogik“ bei uns an der Hochschule. Seine Besonderheit liegt in der multiperspektivischen Auseinandersetzung mit dem Differenziellen Lernen. Anna begann nach unserer gemeinsamen Literaturrecherche die Streicherschulen Rolland und Coloustrings auf differenzielle Ansätze zu untersuchen. Júlia und Louisa führten drei Wochen lang einen Übe-Selbstversuch durch, in dem sie ausschließlich differenziell übten und den sie filmisch dokumentierten. Lydia sprach per Zoom mit vier Expert*innen über deren Gedanken und Vorstellungen zum Differenziellen Lernen.

Dabei war unsere Motivation, Ansätze des für uns größtenteils unbekannten Themas Differenzielles Lernen auf Streichinstrumente zu übertragen und so für das eigene Üben und Unterrichten zu nutzen. Wir konnten auf verschiedenen Ebenen Zugänge zum Differenziellen Lernen finden und haben auf Grundlage unserer Beschäftigung ein 60-minütiges Video erstellt, um unsere Erkenntnisse mit unseren Kommiliton*innen zu teilen.

 

Maximilian Busch

Musikhochschule Lübeck

Förderpreis

„Wie praktisch ist das Schulpraktische Klavierspiel für die Schule?“


In der empirischen Forschungsarbeit „Hochschuldidaktische Schwerpunktsetzungen des Schulpraktischen Klavierspiels und Anforderungen an Musiklehrer:innen im Vergleich“ wird der Frage auf den Grund gegangen, auf welche Tätigkeitsbereiche des Klavierspiels (klassisches Literaturspiel, Volkslied-Harmonisation, Gruppenleitung vom Klavier aus, Partiturspiel, Improvisation, etc.) das Musiklehramtsstudium in Schleswig-Holstein ausreichend vorbereitet und welche Kompetenzen in der Musiklehrkräftebildung ausführlicher vermittelt werden sollten.
Hierzu wurde zunächst beleuchtet, welche Inhalte an der Musikhochschule Lübeck und der Europa-Universität Flensburg im Fach „Schulpraktisches Klavierspiel“ im Vordergrund stehen. In Interviews mit 5 Dozenten wurden dabei Erkenntnisse generiert, die die Betrachtung des Curriculums erweitern. Vergleichend gegenübergestellt wurden dann die Ergebnisse einer Fragebogenstudie, in der Musiklehrer:innen des Landes angeben, in welchem Umfang und mit welchen konkreten Tätigkeiten sie das Klavier in ihrem Unterricht einsetzen. In einem nächsten Schritt sollten die Musiklehrer:innen ankreuzen, wie häufig diese Tätigkeiten ihnen im Studium vermittelt wurden. Aus den resultierenden Ergebnissen lässt sich nun erkennen, an welchen Stellen Studienvorbereitung und schulische Berufspraxis deckungsgleich sind und an welchen Stellen sich signifikante Differenzen ergeben. Dabei soll es nicht das Ziel sein, das Studium zu 100% nur auf die Berufspraxis auszurichten, da auch der individuelle Spielraum für eine persönliche Entwicklung (beispielsweise Künstler:innenpersönlichkeit) erhalten bleiben muss. Vielmehr ist es wichtig, zu erkennen, an welchen Stellen nicht ausreichend auf die späteren Anforderungen vorbereitet wird. An der Musikhochschule Lübeck wurde resultierend aus den Ergebnissen der Studie das zusätzliche Lehrangebot „Liedbegleitung im Klassenverband“ geschaffen, welches das Gruppenleiten vom Klavier aus in den Fokus stellt.

 

Können Sie sich eine Welt ohne Musik vorstellen? Wir nicht.