Preisträger*innen Hamburg 2024 – Hochschulwettbewerb Musikpädagogik
Der 14. Hochschulwettbewerb Musikpädagogik 2024 fand in der Hochschule für Musik und Theater Hamburg statt. Die Preisträger*innen des diesjährigen Wettbewerbs sind:
Hanna Ehnes
Hochschule für Musik und Tanz Köln
1. Preis
„Wie Wir Klingen“
Selbstgesteuerte Arrangierprozesse mit Erwachsenen Amateursänger*innen
Was geschieht, wenn Sänger*innen selbst über die Musik entscheiden, die sie im Chor singen möchten? Wenn sie nicht nur die Stücke auswählen, sondern auch ihre Arrangements selbst entwickeln? Was passiert, wenn eine Gruppe die Entscheidungsmacht für den gemeinsamen Prozess und die musikalische Gestaltung bekommt?
Diesen Fragen ist das Bachelorprojekt ‚Wie Wir Klingen‘ nachgegangen. Über einen Zeitraum von 10 Wochen entwickelte ein Gruppe Amateursänger*innen Arrangements zu von ihnen ausgewählten Stücken. Dabei trafen sie nahezu alle Entscheidungen, sowohl was die Prozessgestaltung als auch was musikalische Entscheidungen angeht, selbstgesteuert und ohne Vorgaben. Im Zentrum stand die Ermächtigung der Sänger*innen, selbst mit musikalischem Material umzugehen und es nach ihren Wünschen gestalten zu können.
‚Wie Wir Klingen‘ orientierte sich als prozessorientiertes, partizipatives Projekt an Grundsätzen der Community Music. Eine besondere Herausforderung lag in der Rolle der Leitung, die den Teilnehmenden Wissen und Methoden für die Arrangements näherbringen musste, ohne dabei in die Ideenentwicklung und Entscheidungsprozesse der Gruppe einzugreifen.
Der Erfolg des Projekts zeigte sich am Feedback der Teilnehmenden. Mit großer Mehrheit gaben sie an, sich durch ihre Teilnahme bereichert zu fühlen, viel gelernt und neue Erfahrungen gemacht zu haben. Auch ihre musikalische Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit wurde gestärkt. Aufgrund der großen Resonanz und vieler Interessierter wurde bereits ein Nachfolgprojekt durchgeführt, was wiederum zeigt, wie groß das Interesse an partizipativen, offenen Musizierangeboten ist und wie wichtig dieses Handlungsfeld für Musikpädagog*innen ist.

Florian Öttl, Rebekka Rebmann, Joline Richter, Niklas Zaberer, Anna Zimmermann
Hochschule für Musik Würzburg, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim
2. Preis
„SchMAus“
„Innovation im Musik-Lehramtsstudium durch studentische Vernetzung – SchMAus (Schulmusikaustausch)“
Die Studierendenperspektive in den Lehrveranstaltungen der Musiklehrenden-Bildung (Sachsse, 2023) sowie in Innovationsprozessen des Musiklehramtsstudiums (Neuhaus & Puffer, 2023) rückt jüngst vermehrt in den Fokus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Welche Lern- und Bildungsprozesse können in einem studentisch organisierten Netzwerk angestoßen und gefördert werden und wie kann die Vernetzung von Musiklehramtsstudierenden zu Innovationen der Curricula in der Musiklehrenden-Bildung beitragen?
SchMAus, kurz für Schulmusikaustausch, ist der Name einer 2021 gegründeten Initiative von Studierenden des Lehramts Musik. SchMAus ist gleichzeitig ein organisatorisches und kommunikatives Netzwerk sowie ein musikpädagogisches Projekt im Hochschulbereich, in dem Musik-Lehramtsstudierende sowohl in der Rolle der Anleitenden als auch der Angeleiteten in verschiedenen Lehr- und Lern-Settings aktiv sind. Im Zentrum der Idee von SchMAus stehen die Vernetzungstreffen, die einmal pro Semester an verschiedenen Standorten in Deutschland stattfinden.
Neben Workshops von Dozierenden der gastgebenden Hochschule, in denen die Teilnehmenden Einblicke in das Lehrangebots am jeweiligen Standort erhalten, stehen studentisch angeleitete Arbeitsgruppen im Zentrum des Vernetzungsangebotes. Orientiert am Konzept des Peer Learnings (Fricke et al., 2019) übernehmen Studierende die Planung und Durchführung einer 90-minütigen Einheit zu einem selbstgewählten Thema im Kontext des Musik-Lehramtsstudiums. Dabei vollzieht sich ein Rollenwechsel von der Lernenden- zur Lehrendenrolle, der, verbunden mit einer Selbst- und Fremd-Reflexion, einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung und Weiterentwicklung von Lehrkompetenzen sowie damit verbundener Reflexions- und Abstraktionsfähigkeiten leisten kann.
Der Aufbau und die Weiterentwicklung des Netzwerkes bewegt sich dabei in mehreren Spannungsfeldern, etwa der Frage, wie viel Strukturierung notwendig ist, um eine nachhaltige und funktionierende Netzwerkarbeit zu gewährleisten und gleichzeitig die möglichst niedrigschwellige Beteiligung von Studierenden aus verschiedenen Städten zu ermöglichen und die individuelle Gestaltungsautonomie bestmöglich für die gemeinsamen Aktivitäten zu kanalisieren. Darüber hinaus war und ist immer wieder abzuwägen, wie viel Anbindung an Institutionen, Lehrende und bestehende Netzwerke (etwa den BMU) sinnvoll und notwendig ist, sodass zugleich der Fokus auf studentische Interessen und Perspektiven nicht verloren geht.
Unser zentrales Anliegen ist es, die Studierenden-Perspektive stärker in den Fokus der Musiklehrenden-Bildung zu rücken. Und zwar nicht in der Rolle von Rezipierenden, sondern auch in der Planung und Reflexion der Bildungsangebote. Einerseits ermöglichen die SchMAus-Treffen einen Blick in das Angebot anderer Studienstandorte und können als Inspiration dienen, sich an der Heimathochschule für ähnliche Lehrveranstaltungen einzusetzen. Andererseits wird über die inhaltliche Ebene hinaus die Möglichkeit geboten, sich mit strukturellen Fragen unseres Studiums auseinanderzusetzen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Magdalena Appelhans
Hochschule für Musik und Theater Hamburg
3. Preis
„Bietet der Musikunterricht der Grundschule einen Nährboden für Abhängigkeiten, Grenzverletzungen und Machtmissbrauch?“
Exposé zu einer wissenschaftlichen Arbeit über Nähe und Distanz im Rahmen des Schulmusikstudiums
Das empirische Forschungsvorhaben wurde im Rahmen der Masterarbeit durchgeführt und geht der Frage nach Bewusstsein und Deutungsmustern Hamburger Grundschullehrkräfte hinsichtlich des Umgangs mit Nähe und Distanz im Musikunterricht der Grundschule nach. Denn neben Instrumentalunterricht ist auch der Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen vom jüngsten Diskurs um Berührungen, Grenzverletzungen und Macht betroffen. Dabei müssen neben körperlichen auch emotionale und mentale Formen bei der Nähe-Distanz-Regulationen mitbedacht werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich bei der Regulation im Musikunterricht der Grundschule sowohl durch Merkmale pädagogischer Beziehungen als auch durch musikspezifische Besonderheiten. Wie diese Aufgabe in der Praxis bewältigt wird, wird im Rahmen dieser Arbeit durch leitfadengestützte Interviews mit vier Hamburger Grundschullehrkräften, die das Fach Musik unterrichten, ermittelt und anschließend durch eine qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Dabei wurden Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Lehrkräfte hinsichtlich der Gestaltung der pädagogischen Beziehung, der Situationen, in denen Nähe und Distanz im Schulalltag begegnen, eigener Präferenzen und Grenzsetzungen, Geschlechteraspekte, (Un-)Si- cherheiten, Unterschiede zwischen Schüler:innen sowie der Bewertung der Relevanz sicht- bar. Diese Ergebnisse wurden anschließend mit theoretischen Erkenntnissen in Verbindung gebracht. Dabei wurde festgestellt, dass sich zahlreiche Erfahrungen dieser Lehrer:innen mit den in der Literatur präsenten Herausforderungen des Musikunterrichts und der pädagogischen Beziehung gleichen. Neben der Regulation von Nähe und Distanz bei Hilfestellungen, stellt sie auch im Kontext des Singens und der Musikrezeption eine Herausforderung dar. Erschwert wird dies ebenso durch die im Musikunterricht geforderte und geförderte emotionale Ausdrucksfähigkeit. Die Bewältigung dieser Handlungsprobleme bedürfen eine Strukturierung und Reduktion durch handlungsleitende, unbewusste Deutungsmuster, die im Rahmen der Forschungsarbeit durch die dokumentarische Methode nach Bohnsack rekonstruiert werden konnten.
Auf Grundlage der beiden Auswertungsmethoden konnten trotz teils bestehender Vorerfahrungen und Wissen um Nähe-Distanz-Regulationen in der Schule Unsicherheiten im Handeln festgestellt werden, die zum Teil mit einer starken Distanzierung aus Vorsicht einhergehen. Trotzdem wurde die Relevanz von Nähe und Distanz für (über-)fachliche Ziele, spezifische Bedarfe und den (außer)unterrichtlichen Kontext durch die interviewten Lehrer:innen betont und zugleich das Ausbleiben in unterschiedlichen Aus- und Fortbildungsstationen für (angehende) Lehrkräfte beklagt. Deshalb wurden Konsequenzen für professionelles pädagogisches Handeln im Spannungsfeld von Nähe und Distanz im Musikunterricht der Grundschule formuliert, die zum einen im Rahmen der Aus- und Fortbildung dem Aufbau notwendiger Kompetenzen und Haltungen dienen und zum anderen konkrete Implikationen für den Musikunterricht der Grundschule unter Berücksichtigung musikpädagogischer Spezifika liefern.

Viviane Hammermüller
Hochschule für Musik Würzburg
3. Preis
„Musiklehrpersonen als Manager von Wissen und Informationen“